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Treue, veraltetes Konzept oder wertvolle Tugend?

Treue, veraltetes Konzept oder wertvolle Tugend?

In diesem Artikel geht es um die Ursachen von Untreue, warum es zu einem Seitensprung kommen kann, wem wir zu allererst einmal treu sein sollten und nach welchen Prinzipien sich eine Beziehung zwischen Mann und Frau weiterentwickelt.

Treue definiert sich als Beständigkeit und Zuverlässigkeit
in der engen Bindung zu jemandem, einem Kollektiv oder einer Sache.

Treue stammt vom mittelhochdeutschen triuwe, das  für ‘treu, getreu, wohlmeinend’ steht. Verwandt sind im Englischen true = ‘wahr, richtig, echt’, im Altnordischen tryggr = ‘treu, vertrauensvoll’, im Gotischen  triggws = ‘treu, zuverlässig’ und im Schwedischen trygg  = ‘sicher, geborgen’. Treue ist die Nominalisierung des Verbs truwen und kann umschrieben werden mit ‘fest sein, sicher sein, vertrauen, hoffen, glauben, wagen’.

Davon gibt es reichlich wenig in unserer schnelllebigen wankelmütigen Gesellschaft. Heute hüh und morgen hopp. Was interessiert mich das Geschwätz von gestern. Leben in einer impulshaften, naiven Zeitlosigkeit, getrieben von basalen Lüsten, ohne sich über die Konsequenzen seines Handelns und des Gesagten Gedanken zu machen, geschweige denn Verantwortung zu übernehmen.

Von der ersten (Un-)Treue im Leben

Obiges Verhalten entspricht dem Erleben eines 1- bis 3-jährigen Kindes, für das der Begriff von Zeit nicht existiert, das nur den jetzigen Moment mit seinen körperlichen und emotionalen Bedürfnissen wie Essen, Trinken, Versorgtwerden, Kuscheln, Bewegen und Spielen, bzw. Bespieltwerden kennt. Es weiß nicht was vorhin war und hat auch keine Ahnung davon, was in der nächsten halben Stunde sein wird. Es möchte sich einfach nur immer wohl und sicher fühlen und das haben, von dem es glaubt, es brächte Befriedigung. So wird ein Spielzeug als genauso essentiel notwendig erachtet wie die Brust der Mutter und eine trockene Windel. Und um das zu bekommen tut ein Kleinkind in seiner natürlich-kindlichen ich-Bezogenheit alles in seiner Macht stehende.

Treue altmodischer Trend oder wertvolle Tugend fidélité

Für ein Kleinkind ist die Treue der Eltern zu ihrem Sprössling unerlässlich. Der Grad der Beständigkeit und Verlässlichkeit mit der sie sich um ihr Kind kümmern, bestimmt seine weitere Entwicklung. Je weniger diese Qualitäten präsent sind, umso schwieriger für das Kind Vertrauen ins Leben aufzubauen und selbständig zu werden. Es wird auf einem kleinkindlichen Bewusstseinsniveau zurückbleiben und auch als Erwachsener weiterhin nach dem noch immer immanenten Bedürfnis der augenblicklichen Befriedigung durch Äußeres funktionieren. Bleibt dieses unerfüllt, wird umgehend Ersatz gesucht. Gibt es keinen, so verfällt der psychisch kleinkindgebliebene Erwachsene in Angstzustände und Panik, was entweder zu absoluter sozialer Isolierung oder zu irrationalen Aussagen, emotionalen Ausbrüchen und unberechenbaren Handlungen führt. Geschrei und Gebaren eines Kleinkindes kommen durch den Körper eines Erwachsenen zum Ausdruck.

Ein kleinkindliches Bewusstsein
in einem hormonell erwachsenen Körper birgt Sprengstoff.
Der Seitensprung

In der für ihn überlebensnotwendigen instantanen Erfüllung seiner nun dem erwachsenen Körper entsprechenden Bedürfnisse, verlangt der so kindlich Gebliebene nach Ersatz, den er im Konsum von Zucker, Alkohol und Drogen, bei übermässigem Sport, beim Schauen von Romantikfilmen, in der Pornographie oder in sexuellen Praktiken findet. Auch der sogenannte Seitensprung in Beziehungen, also eine Untreue dem eigentlichen Partner gegenüber, entspringt meist einem sofort zu erfüllenden spontanen Bedürfnis: „Es ist einfach so passiert“. Eine längerfristige Affaire oder eine Parallelbeziehung dahingegen erhöhen dauerhaft die Chancen auf ein Gesehen- und Anerkannt werden, so wie ebenso die einer zeitnahen Bedürfnis-Befriedigung.

All diese Verhaltensweisen bringen vielleicht kurzzeitig ein Gefühl von Pseudo-Erfülltheit, Erleichterung und Entspannung, ein momentanes oberflächliches Vergnügen, doch lenken sie von dem eigentlichen tiefsitzenden Problem und dem dahinterliegenden Schmerz ab.

Es ist nun leicht zu erkennen, daß Treue in Beziehungen ein Zeichen von Reife ist, und daß solch kindlich gebliebene Erwachsene zwar von einem beständigen verläßlichen Versorgtsein abhängen, – also einem Be-treu-twerden -, aber selbst zu wahrer Treue nicht, bzw. nur schwer fähig sind.

Treue altmodischer Trend oder wertvolle Tugend fidélité
Wer wünscht sich nicht einen treuen Partner?

Jemand der verläßlich und beständig ist, der da ist, wenn man ihn braucht. Jemand dem man in jeder Situation vertrauen und auf den man „bauen“ kann. Mit dem man etwas Gemeinsames erschaffen und eventuell sogar freudig fröhlich alt werden kann.

Und ja, egal wie selbstständig wir als Mann oder Weib geworden sind, es gibt Momente im Leben, in denen eine Schulter zum Anlehnen, ein Gehörtwerden, ein Auffangen durch den Partner einfach gut tut, entlastet und Kraft schenkt. Nur im Vertrauen kann man sich wirklich fallen lassen und sich für wahrhaftige Liebe und den damit einhergehenden sexuel-erotischen transzendierenden spirituellen Tanz der Körper öffnen, weit über eine Familienbildung hinaus. Doch damit dieses Vertrauen sich ausbilden kann, braucht es Treue.

Laut einer Hamburg-Leipziger Forschergruppe wünschten sich einer Umfrage zufolge 90% der Menschen, daß ihr Partner treu ist. Treue steht also hoch im Kurs.

„Die Beziehung zu sich Selbst,
spiegelt sich in der Partnerschaft im Außen wider.“
Wem wir eigentlich zunächst treu sein sollten

Wer sich wahre Treue in einer Partnerschaft wünscht (und keine versteckte Abhängigkeit), sollte zuerst einmal sich selbst treu werden. Dazu braucht es Klarheit über sich selbst.

  • Was brauche ich? Was ist mir wichtig ist? Was will ich? Was sind meine Werte? 

Zu diesen Erkenntnissen zu kommen, ist für viele nicht einfach. Es verlangt ein Hinterfragen und Loslösen alter verkrusteter Vorstellungen und Prägungen, ein Bewerten, Sortieren und neu Strukturieren, und schlußendlich ein sich in den Armnehmen und inneres Heil-Werden. Mängel und Verletzungen der Kindheit müssen ans Licht geholt und die Erfahrungen mit den Eltern, die die Grundlage der eigenen Beziehungsfähigkeit legten, beleuchtet werden. 

Des weiteren gilt es sich zu fragen:

  • Kann ich zu meinen Werten stehen? Bin ich aufrichtig zu mir selbst, oder lüge ich mir in die eigene Tasche? Gehe ich also in mir selbst fremd?

Je besser sich ein Mensch selbst kennt, je mehr er sich seiner wahren Bedürfnisse bewusst wird, je mehr er auf sein Selbst hört, also aufrichtig = treu zu sich selbst ist, umso einfacher kann er spüren, ob seine aktuelle Beziehung ihm noch entspricht, bzw. um so anziehender ist er für einen zukünftigen Partner, der genau eben diese Treue in einer Beziehung mit ihm leben möchte.

Dies ist ein ganz individueller Weg zu innerer Erfüllung, den es für jeden selbst zu gehen gilt. Der Partner wird dann zum Sahnehäubchen, zur Krönung des Ganzen, zum wahren Genuss. Die Beziehung ist nicht mehr nur eine praktische Angelegenheit sondern öffnet Tore in höhere geistige und spirituelle Sphären.

Wandlungsprozesse in einer Beziehung

Auf diesem Weg hin zu seinem wahren Selbst, kann es in einer bestehenden Beziehung zu Reibungen kommen. In der Regel werden die Partner sich zunächst fremd und entfernen sich voneinander. Sie lösen sich aus der rosaroten Beziehungsfusion in der sie sich kennengelernt und sich in ihren Verletzungen und Prägungen ergänzt hatten. Hinter fast jeder Paar-Beziehung stand zu Beginn das Bedürfnis (endlich) von jemanden verstanden und angenommen zu werden und sich als Zu-zweit-Einheit ganz zu fühlen. 

Damit eine Beziehung sich weiter entwickeln kann, ist jeder der Partner immer wieder aufgerufen zurück in seine eigene energetische und geistige „Welt“ zu kehren, um dort Ordnung zu machen. In der Regel beginnen die Frauen mit diesem Wandlungsprozess; spätestens wenn sie durch die Geburt eines Kindes in ihren Festen gerüttelt werden. Ist die Liebe zwischen den beiden Partnern aufrichtig und stark, und ist jeder (vielleicht nicht immer gleichermaßen) bereit seinen Teil dazu beizutragen, finden sie nach dem Auseinanderdriften auch wieder zusammen. Dann jedoch nicht mehr in der sich-selbst-für-das-wir aufgebenden Version, sondern auf einem reiferen Niveau, von Erwachsendem zu Erwachsendem.

Dieses Wachstum als Paar geschieht in Wellen, oder kann als spiralförmig angesehen werden; wobei die Frau sich eher beständig ihrem weiblichen, mäanderförmigen Fluss folgend, zyklisch wandelt und wächst, während der Mann seiner Körperenergie entsprechend sich geradliniger vorwärts bewegt. Er hat bildlich gesprochen im Vergleich weniger Strecke zu machen, hat aber nicht den gleichen natürlichen Antrieb wie eine Frau. Er muss seine Energien intensiver bündeln und direkter, zielgerichteter und fokusierter vorgehen. Meist verweilt er zwischenzeitlich gerne an seinem Platz, was der Familie prinzipiell zu Gute kommt, – insofern er nicht in Stagnation verfällt.

Stell Dir eine Familie wie eine Brücke vor. Die Eltern sind die Pfeiler links und rechts, während die Kinder sich oben auf der Brücke entwickeln und von den Eltern „getragen“ werden. Würden nun beide Pfeiler gleichzeitig versetzt werden, wäre es für die auf der Brücke stehenden Kinder sehr wackelig und unsicher. Wird nur nach und nach ein Pfeiler weiterversetzt, während der andere stabil bleibt, ist das Vorwärtskommen als Familie ein harmonischeres (, abgesehen davon, daß es keine sich deplatzierenden Brücken gibt).

Doch oftmals, zum Leidwesen der weiblichen Partnerin, lässt sich der Mann zu Beginn dieses partnerschaftlichen und persönlichen Wachstumsprozesses weder zu einem Schritt verlocken, noch dazu schieben. Wenn ein Esel bockt, dann bockt er eben und lässt sich durch nichts in der Welt bewegen.

Erst durch die sich aufbauende Spannung durch das Entfernen seiner Partnerin von ihm erhält der Mann die Schubkraft, die er braucht, um dann wie ein Pfeil aus dem gespannten Bogen heraus geradlinig nach vorne zu schießen und sich dort neu zu verankern. Seine Energie ist prinzipiell stabilisierend, strukturierend, sichernd und ordnungsschaffend, und deswegen weniger agil, als die Energie der Frau, die ständig in Bewegung und im Wandel ist. Erst wenn der Mann innerlich spürt, daß die Spannung so groß ist, daß er jetzt eine Entscheidung treffen muss, setzt er sich in Bewegung. Häufig kommen Hinweise dafür von Außenstehenden auf ihn zu. Die Ratschläge seiner Partnerin werden eher gewissentlich überhört, zumindest solange sie in seinem Unterbewusstsein noch mit seiner Mutter assoziiert ist.

Manchmal schießt er dabei so weit über den Entwicklungsstand seiner Frau hinaus, daß diese sich nur wundern kann, was denn nun geschehen ist, während sie weiter ihrem Rhythmus folgend vor sich hin plätschert oder strömend weiter fließt. Männer scheinen häufig immobil, doch laufen in ihrem Inneren ungehört und ungesehen ihre eigenen Prozesse ab. Sie reden einfach nur nicht soviel darüber. Dann beginnt das „Spiel“ von neuem. Mit jeder weiteren Runde verringert sich die Stärke der nötigen Spannung, die Entfernung beim Auseinanderdriften der beiden wird geringer, bis die Partner in einen sich gegenseitig stimulierenden Wachstums-Tanz übergehen, um sich schließlich in ihren männlichen und weiblichen Qualitäten bereichernd zu ergänzen (! nicht zu fusionieren, das war zu Beginn und ist eine ziemlich klebrige zähe Angelegenheit).

Ist ein Mann jedoch so weit von seinem inneren Empfinden entfernt, daß er nicht mal mehr die oben beschriebene Spannung wahrnimmt und stur auf seiner Position beharrt, so kann es sein, daß ihm seine Frau entrinnt und sozusagen einfach davon fließt. 

Hier gilt es für die Frau ehrlich mit sich zu sein. Ihre alchimistisch transformierende Kraft könnte auf Dauer jeden Stein aushöhlen, doch aus Respekt zu sich selbst, sollte sie sich immer fragen : „Wieviel kann und will ich investieren ohne mich selbst dabei aufzugeben.“ Manchmal bedeutet Treue zu sich selbst, den Partner in Liebe auf seinen eigenen Entwicklungsweg zu entlassen. Sollte bereits eine Familie gegründet worden sein, ist eine solche Entscheidung achtsam und verantwortungsbewusst zum Wohle aller zu treffen, wissend, daß wenn es der Mutter wohl geht, es den Kindern (0-7 Jahre) in der Regel auch gut geht.

Ebenso besteht in diesem partnerschaftlichen Wachstumsprozess jederzeit die Möglichkeit, daß der Mann seine Pfeil-Richtung ändert, sich aus Furcht vor der Macht des weiblichen Flußes, dessen Fließgeschwindigkeit, Wasserqualität oder Tiefe umorientiert und die Beziehung auseinandergeht. 

Wird dieser heikle Wachstumsprozess in der Partnerschaft zudem von Untreue beeinträchtigt, müssen sich beide auf ihre Werte zurückbesinnen, und schauen inwiefern diese überhaupt übereinstimmen, um dann eventuell eine neue gemeinsame Basis zu finden oder sich zu trennen.

Nur wenn ich mich selbst wertschätze, kann ich auch wertgeschätzt werden.

Treue

Treue, so altmodisch der Begriff klingen mag, so wenig es in diese schnelllebige von Vergnügungen und Ablenkungen geprägte Welt passen mag, ist ein Schatz.

Treue in einer Beziehung bringt Vertrauen und Tiefe. Eine Tiefe, die sich in kurzen Affären niemals ausbilden kann. Eine Tiefe, vor der viele Menschen Angst haben, und sich deswegen erst garnicht auf eine längerfristige Beziehung einlassen können. 

Treue ist nicht nur ein Nicht-Fremdgehen. 

Treue ist nicht nur ein sich aus gesellschaftlichen Gründen für einen Partner Entscheiden.

Treue ist viel mehr.

Treue in einer Beziehung zeugt von Wertschätzung sich Selbst und dem Partner gegenüber.

Treue bringt eine tiefe innige körperliche und seelische Verbindung hervor, in der sich Liebe endlos entfalten und die Energien sich potenzieren können.

Treue altmodischer Trend oder wertvolle Tugend fidélité
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